Von der Köchin zur Mutterliebe: Eine ergreifende Familiengeschichte6 min czytania.

Dzielić

Clara Weber hatte nicht vor, lange zu bleiben. Sie war nur wegen der Arbeit hierhergekommen. Kochen, putzen und ihr Brot verdienen in einem Haus, in dem ein verwitweter Mann sechs Töchter allein großzog. Doch als sie aus dem Wagen stieg und mit ihren festen Stiefeln den Boden berührte, wusste sie sofort, dass dieser Ort anders sein würde als die vorherigen.

Das erste Gesicht, das sie sah, war das eines kleinen Mädchens. Elisa beobachtete sie schüchtern hinter einem Pfosten der Veranda. Sie hatte einen Brombeerfleck am Kinn und Augen, die so groß waren, als würden sie nicht in ihr Gesicht passen. Clara hob die Hand zum Gruß, doch das Mädchen verschwand, als hätte der Wind es fortgeweht.

Dann hörte sie langsame Schritte. Ein großer Mann erschien auf der Veranda, breiter gebaut als jeder, den Clara seit ihrer eigenen Witwenschaft kennengelernt hatte. Sein Hut saß schief, und sein Blick war auf die Tasche gerichtet, die sie neben ihre Füße gestellt hatte. „Ich heiße Clara Weber“, sagte sie mit fester Stimme. „Seit zwei Jahren Witwe. Ich koche, putze und dulde weder Faulheit noch Frechheit.“ Sie hielt inne. „Sie sagten, sechs Mädchen. Ich habe extra Mehl mitgebracht.“

Er hob kurz den Blick, und in seinem Ausdruck lag mehr als bloße Höflichkeit. Es war, als erkenne er in ihr nicht nur ihr Gesicht, sondern die Art von Frau, die allem trotzt – innerlich geflickt, aber immer noch aufrecht.

„Matthias Lange“, sagte er schließlich, seine Stimme rau wie altes Holz. „Das Haus ist da drüben.“ Er zeigte auf ein Holzhaus mit einer etwas durchgesackten Veranda. Clara nickte nur. Sie fragte nicht nach ihrem Zimmer, griff ihre Tasche und ging direkt hinein. Drinnen roch es nach saurer Milch und verbranntem Brot. Die Wände erzählten von harten Jahren: ein Tisch voller Löcher von Messern und Ellbogen, Schultafeln in den Ecken und eine schiefe Reihe kleiner Stiefel an der Tür.

„Ich mache Abendessen“, sagte Clara, ohne dass jemand sie darum gebeten hätte.

„Mach dir keine Mühe“, antwortete eine feste Stimme von der Treppe. Es war die Älteste, Beate. Zehn Jahre alt, die Arme verschränkt, mit einem Blick, der verriet, dass sie Erwachsenen nicht mehr traute. „Wir haben keinen Hunger.“

Clara antwortete nicht. Sie legte ihre Tasche ab, krempelte die Ärmel hoch und ging in den Keller, um nach dem Nötigsten zu suchen. Als es dunkel wurde, roch das Haus anders: nach warmem Eintopf mit Kräutern, frischem Brot und wildem Honig in Teetassen für Mädchen, die nicht darum gebeten hatten, aber trotzdem tranken.

Während des Essens sprach niemand. Die sechs Mädchen starrten Clara an, als wüssten sie nicht, ob sie eine Bedrohung oder ein Versprechen war. Und Matthias, am Kopfende des Tisches, schnitt schweigend das Brot und beobachtete.

Nach dem Abräumen spürte Clara ein sanftes Zupfen an ihrem Rock. Sie blickte hinab. Es war Anna, die Jüngste. Zerzauste Locken, eine brüchige Stimme wie altes Holz. „Jetzt bist du meine Mama.“

Die Stille verschluckte jedes Geräusch. Besteck hörte auf zu klappern. Clara konnte kaum atmen. Sie sah Matthias an, suchte nach einem Zeichen, doch er wandte den Blick ab. „Ich koche nur und putze, Schätzchen“, flüsterte sie. „Nichts mehr.“

Doch Anna schien das Gegenteil gehört zu haben und setzte sich ohne ein weiteres Wort zurück.

In dieser Nacht lag Clara in ihrem kleinen Zimmer im hinteren Teil des Hauses. Sie versuchte, nicht an das Kind zu denken, das sie vor dessen erstem Geburtstag verloren hatte. Der Wind ließ das Dach knarren. Dann leise Schritte, ein Flüstern an der Tür. „Frau…“, es war Elisa mit einer Kerze in den Händen. „Ich habe einen Wolf gehört. Darf ich bleiben?“

Clara antwortete nicht. Sie rückte einfach zur Seite. Das Mädchen schlüpfte lautlos unter die Decke – aber sie war nicht die Einzige. Als Clara erwachte, war das Bett voll. Eine nach der anderen, bis alle sechs Mädchen um sie herum schliefen, als hätten sie lange auf diese Erlaubnis gewartet.

Und von der Türschwelle aus sah Matthias alles.

Es war nicht der Hahnenschrei, der Clara weckte, sondern das warme Gewicht von sechs kleinen Körpern, die sich an sie schmiegten. Sie wusste nicht, wann sie gekommen waren – eine auf ihrem Arm, eine an ihrer Seite, eine andere an ihren Beinen, als wären sie Wurzeln. Sie blieb still liegen, nicht aus Unbehagen, sondern aus etwas Tieferem, dem seltsamen Gefühl, auserwählt worden zu sein, ohne darum gebeten zu haben.

Matthias stand draußen, schweigend, die Arme verschränkt, den Hut in der Hand. Als sie halb verschlafen hinauskam, sah er sie an – nicht mit Urteil, sondern mit etwas Stillerem, Menschlicherem.

„Sie sind alle zu mir gekommen“, sagte Clara leise, als fürchte sie, die Zerbrechlichkeit des Moments zu zerstören. „Ich habe sie nicht darum gebeten.“

„Ich weiß“, antwortete er nach einer Pause. „Das reicht.“

Mehr wurde nicht gesprochen. Es war nicht nötig.

Doch von diesem Tag an begann etwas Unsichtbares in dem Haus zu wachsen. Die Stunden vergingen wie ein warmer Wind. Die Mädchen erwähnten ihre Mutter nicht, und Clara fragte nicht. Es war ein gemeinsames Schweigen, wie ein unausgesprochener Pakt.

Eines Nachmittags fand Clara beim Ausräumen eines alten Schranks ein Band. Es roch nach Lavendel und Rauch. Sie hielt es an ihre Nase, und etwas in ihrer Brust zog sich zusammen. Sie weinte nicht, schloss nur die Tür.

An einem anderen Tag sah sie Beate auf der Veranda, wie sie ein Paar Schuhe putzte, die ihr längst nicht mehr passten. Es waren die ihrer Mutter. Clara wusste es, ohne dass es jemand sagte. Beate rieb sie mit aller Kraft, obwohl das Leder längst rissig war. Clara unterbrach nicht, blieb einfach in der Nähe, anwesend.

Sie versuchte nicht, jemandes Platz einzunehmen, sorgte nur für warmes Essen, feste Nähte und eine sanfte Hand, wenn Fieber oder nächtliche Ängste kamen. Und in dieser stillen Fürsorge begann etwas zu blühen.

Marie, die sonst nur flüsterte, summte beim Brotbacken. Lina, die Zweitjüngste, zitterte nicht mehr, wenn der Wind gegen die Fenster schlug. Selbst Beate, die sich nicht anfassen ließ, warf ihr keine bösen Blicke mehr zu. Und eines Tages hörte Clara sie unabsichtlich murmeln: „Es riecht nicht mehr nach Asche.“

Clara sagte nichts, doch die Worte blieben in ihr stecken wie ein Nadelstich ins Herz.

Und dann kam der Sturm.

Der Wind riss den halben Zaun nieder. Matthias und ein Nachbar arbeiteten seit Sonnenaufgang daran, ihn unter dem grauen Himmel zu reparieren. Clara wartete nicht. Sie packte Kekse ein und ging zu ihnen. Sie fand ihn mit blutigen Handflächen vom Seil. „Lass mich“, sagte sie und nahm den Hammer, ohne auf eine Erlaubnis zu warten. Er protestierte nicht.

Sie arbeiteten schweigend, bis der erste Regen fiel. Und gerade als sie den letzten Pfahl einschlugen, rief eine kleine Stimme vom Haus herüber. Es war Anna, die gegen den Wind schrie: „Du hast den Zaun repariert. Jetzt kannst du auch Mamas Herz reparieren!“

Clara ließ den Hammer fallen. Matthias erstarrte. Der Regen wurde stärker, doch keiner von beiden rührte sich. Die Luft war dick, unatmbar. Clara hob den Hammer mit zitternden Händen auf. „Ich mache AbClara schaute Matthias tief in die Augen, strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht und flüsterte: “Wir reparieren alles – gemeinsam.”

Leave a Comment