Vorsicht! Die Zofe stellt die böse Stiefmutter zur Rede4 min czytania.

Dzielić

Der siebenjährige Junge im Rollstuhl versuchte, seine Tränen zurückzuhalten, während seine Stiefmutter ihn erbarmungslos demütigte. Doch bevor sie etwas Schlimmeres sagen konnte, erschien die Haushälterin in der Tür und rief: „Hör auf damit!“ Ihre Stimme hallte durch den gesamten Raum. Der Millionär, der gerade erst angekommen war, erstarrte bei diesem Anblick.

Seit zwei Jahren war das Haus in den Bayerischen Alpen wie verstummt – nicht, weil niemand dort sprach, sondern weil alles erstickt und leblos wirkte. Die Stille war kein gewöhnliches Schweigen, es lag schwer in der Luft, als würde es in jeder Ecke schweben.

Markus, der Besitzer dieses riesigen Hauses mit hohen Fenstern und einem Garten wie aus einem Magazin, wunderte sich nicht mehr über das hohle Gefühl beim Aufwachen. Seine Frau, Franziska, war an einem regnerischen Abend bei einem Autounfall gestorben, auf dem Rückweg von einem Geschenkekauf für Leos fünften Geburtstag. Seit jenem Tag bewegte sich selbst die Luft anders.

Leo saß seitdem im Rollstuhl. Der Aufprall hatte seine Wirbelsäule verletzt, und er konnte nicht mehr laufen. Doch das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass er kein einziges Mal mehr lachte – nicht, als sie ihm einen kleinen Hund brachten, nicht, als sie ihm ein Ballbecken ins Wohnzimmer stellten. Nichts. Er saß nur da, still, mit diesem ernsten Gesicht und traurigen Augen.

Jetzt war er sieben und trug die Last der Welt auf seinen Schultern. Markus tat, was er konnte. Geld war nie ein Problem gewesen. Ärzte, Therapien, Pfleger, Spielzeug – alles war möglich. Doch er konnte seinem Sohn nicht geben, was ihm am meisten fehlte: seine Mutter. Auch er war gebrochen, aber er versteckte es besser.

Er stand früh auf, arbeitete stundenlang in seinem Heimstudio und setzte sich am Nachmittag schweigend zu Leo. Manchmal las er ihm vor, manchmal schauten sie Zeichentrickfilme, doch alles fühlte sich an wie ein Film, den niemand sehen wollte. Mehrere Kindermädchen und Hausangestellte hatten die Villa betreten – doch keine blieb. Einige ertrugen die Schwermut nicht. Andere wussten einfach nicht, wie sie mit dem Jungen umgehen sollten. Eine weinte nach drei Tagen und verschwand. Eine andere kam nach der ersten Woche nicht mehr zurück. Markus verurteilte sie nicht. Er selbst wollte oft verschwinden.

Eines Morgens, während er im Esszimmer E-Mails checkte, hörte er die Türklingel. Die neue Haushälterin. Er hatte seine Assistentin, Sabine, gebeten, jemanden mit Erfahrung einzustellen – freundlich, nicht nur effizient. Sabine hatte versichert, sie hätte eine hartarbeitende Alleinerziehende gefunden, ruhig, unkompliziert. Sie hieß Greta. Als sie eintrat, musterte Markus sie aus dem Augenwinkel. Ein schlichtes Hemd, Jeans. Nicht jung, aber auch nicht alt. Ihr Blick war unverstellt warm, als würde sie ihn schon kennen. Sie lächelte nervös, er nickte knapp. Smalltalk war nicht sein Ding. Er bat den Hausverwalter, Konrad, ihr alles zu zeigen, und widmete sich seiner Arbeit.

Greta ging direkt in die Küche, stellte sich dem Personal vor und legte los, als wäre sie schon immer da gewesen. Sie putzte geräuschlos, sprach leise und respektvoll. Keiner verstand es, aber binnen Tagen veränderte sich die Atmosphäre. Nicht, dass plötzlich alle glücklich waren – aber irgendetwas war anders. Vielleicht lag es an der leisen Musik, die sie beim Kehren anmachte, oder daran, dass sie jeden mit Namen grüßte. Oder dass sie Leo nicht wie die anderen bemitleidete.

Das erste Mal sah sie ihn im Garten. Er saß unter dem Baum im Rollstuhl, den Blick gesenkt. Greta kam mit einem Tablett selbstgebackener Kekse, setzte sich wortlos neben ihn und reichte ihm einen. Leo schaute sie kurz an, dann weg. Er nahm ihn nicht, aber er ging auch nicht. Sie blieb. So verging dieser erste Tag – ohne Worte, aber nicht allein.

Am nächsten Tag kam Greta wieder, zur selben Zeit, mit denselben Keksen. Diesmal saß sie näher. Leo fragte, ob sie UNO könne. Sie sagte ja, obwohl sie nicht gut sei. Einen Tag später lagen die Karten auf dem Gartentisch. Eine Runde spielten sie. Leo lachte nicht, aber er fuhr nicht wütend weg.

Markus bemerkte diese kleinen Veränderungen. Leo wollte nicht mehr den ganzen Tag allein sein. Er fragte, ob Greta kommen würde. Manchmal folgte er ihr mit den Blicken. Einmal bat er sie sogar, mit ihm zu malen. Greta reichte ihm Pinsel, ohne ihn zu drängen.

Leos Zimmer veränderte sich. Greta hängte Bilder an die Wände, räumte sein Lieblingsspielzeug ins unterste Regal, zeigte ihm, wie man sich ein Butterbrot schmiert. Kleinigkeiten, die zählten.

Markus war dankbar, aber verwirrt. War es Zufall, oder hatte Greta etwas Besonderes an sich? Manchmal stand er in der Tür und beobachtete, wie sie mit Leo sprach, seine Schulter berührte, ihm zulächelte. Sie war nicht aufdringlich oder kokett – im Gegenteil. Doch ihre Gegenwart war unübersehbar.

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